Unangemessene Fristsetzung
Sehr geehrte Damen und Herren,
unangemessene (zu kurze) Fristsetzungen zur Mangelbeseitigung lösen keine negativen Konsequenzen für den Handwerker aus – greift der Auftraggeber in dieser Situation (vorschnell) zur Kündigung und Ersatzvornahme, bleibt er auf den Kosten sitzen
(= Abschneiden des Nachbesserungsrechts des Handwerkers).
Auftraggeber setzen in ihrer vermeintlichen „Allmacht“ gerne knackige Fristen, um die Baustellen voran zu bringen und Auftragnehmer unter Druck zu setzen. Das kann aber leicht zum Bumerang werden, wenn der Bauherr den Bogen überspannt.
Grundsätzlich gilt immer: Nur angemessene Fristen sind wirksame Fristen. Die unangemessene Fristsetzung bringt allerdings schon eine Frist „in Gang“. Sie ist also nicht gänzlich wirkungslos. In Gang gesetzt wird aber nur die angemessene Frist.
Das Angemessenheitserfordernis gilt für alle denkbaren Frist-Situationen am Bau. Und davon gibt es eine Menge, zum Beispiel: Aufforderungen zum Baubeginn, zur Wiederaufnahme der Arbeit nach einer Unterbrechung oder zur Fertigstellung der Arbeit. Oder die Fristsetzung zur Erstellung eines Nachtragsangebots, zur Vorlage von Detailplänen oder zur Reaktion auf eine Bedenkenanmeldung.
Ein „Klassiker“ ist die Fristsetzung zur Mängelbeseitigung, mit der es die Bauherren oft besonders eilig haben. Mit einem solchen Fall hatte sich das Oberlandesgericht Koblenz beschäftigt (2 U 234/18 vom 12.12.2018). Dort wurde ein Wärmedämmverbundsystem an einem öffentlichen Gebäude angebracht. Im Zuge der Abnahme stellten sich nicht unerhebliche Mängel heraus, deren Beseitigung der Bauherr unter Fristsetzung verlangte. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist kündigte der Bauherr den Werkvertrag umgehend und verlangte anschließend vor Gericht Schadenersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten. Mit diesem Vorhaben scheiterte er, weil sich letztlich die Fristsetzung zur Mangelbeseitigung als zu kurz und damit als unangemessen herausstellte. Damit würde dem grundsätzlich nachbesserungsbereiten Handwerker das ihm (immer noch) zustehendes Nachbesserungsrecht zu Unrecht abgeschnitten.
Wann eine Frist angemessen ist, beurteilt sich dabei nach den individuellen Gegebenheiten der jeweiligen Abwicklungsstörung. Sie muss jedenfalls für einen leistungsbereiten Auftragnehmer im Hinblick auf die konkret durchzuführende Maßnahme einhaltbar sein. Befindet sich der Auftragnehmer mit der Fertigstellung ohnehin bereits in Verzug, so ist eine Frist angemessen, in der die Fertigstellung unter „größten (zumutbaren) Anstrengungen“ des Auftragnehmers bewerkstelligt werden kann. Das schließt auch eine Erhöhung der Arbeitskräfte, Überstunden und Samstagsarbeit ein. Sie ist also in jeden Fall kürzer als die normalerweise benötigte Zeit. Eine kostenintensive Einhausung während einer Wintersituation ist allerdings in der Regel nicht zumutbar.
Muss der Auftragnehmer einer unangemessenen Frist widersprechen – zum Beispiel durch einen eigenen Bauzeitenplan?
Nach der seit Jahrzehnten gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs obliegt den Parteien eines Bauvertrages eine hohe Kooperations- und Kommunikationspflicht. Diese gelten auch beim „Streit“ über angemessene oder unangemessene Fristsetzungen. Im Regelfall muss der Aufragnehmer daher einer nach seinem Dafürhalten zu kurz
bemessenen Frist deutlich widersprechen und dem Bauherrn nun seinerseits mittteilen,
bis wann er unter Berücksichtigung seiner bestehenden Verpflichtung zu „größten Anstrengungen“ die Arbeiten fertig gestellt haben wird. Ein schlichtes Schweigen auf eine Nachfristsetzung ist höchst gefährlich. Dies dürfte dem Auftragnehmer im Zweifel als
Zustimmung ausgelegt werden, außer die Fristsetzung ist schon nach den äußeren Umständen ganz offensichtlich unangemessen („bis gestern“).
Wie genau dabei ein solcher Widerspruch auszusehen hat, ist in der Rechtsprechung bisher allerdings nicht klar herausgearbeitet worden. Die allerbeste Variante ist sicherlich
ein eigener Bauzeitenplan des Auftragnehmers. Schließlich kann der Bauherr seinerseits
damit am besten Schnittstellen mit anderen Gewerken koordinieren.
Es reicht allerdings wohl auch die Benennung eines Alternativdatums. Das wäre also gewissermaßen ein „Gegenangebot“.
Nach OLG Koblenz ist auch entscheidend, wer die Frist gesetzt hat. Ein bautechnischer Laie als Auftraggeber kann den Zeitaufwand für eine Nachbesserung vielleicht nicht richtig einschätzen und bedarf daher einer genaueren, widersprechenden Aufklärung und Richtigstellung durch den Auftragnehmer. Ist der Fristsetzer hingegen ein Bauprofi, kann er nicht mit einer umfänglichen „Gegendarstellung“ des Auftragnehmers rechnen und trägt daher die mit einer unangemessenen Fristsetzung verbundenen Risiken selbst.
Fazit:
Fristsetzung ist ein kompliziertes Thema. Nach dem Motto „wer schreibt der bleibt“ sollte man damit vorsichtig umgehen. Setzt man selber eine (knappe) Frist, hat es sich in der Praxis bewährt, diese vorsichtshalber mit einem begleitenden Hinweis zu versehen: „Halten Sie die Fristsetzung für zu kurz, bitten wir um eine entsprechende Reaktion Ihrerseits“.
Bekommt man selbst eine (unangemessene) Frist gesetzt, sollte man immer reagieren und je nach Sachlage mehr oder weniger detailliert widersprechen, mindestens mit einem
Alternativtermin oder noch besser mit einem kurzen Bauzeitenplan.
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