Steuerliche Förderung der energetischen Sanierung
Das Bundeskabinett hat am 15. Oktober die steuerliche Förderung energetischer
Gebäudesanierungen ab 1. Januar 2020 beschlossen. Der ZVDH sieht damit eine
langjährige Forderung des Handwerks endlich erfüllt. Wichtig ist es, die „zweite Säule“
der steuerlichen Förderung schnell umzusetzen. Mit dem vorgesehenen Steuerabzug von
20 Prozent der Kosten je Einzelmaßnahme und bis zu 40.000 Euro Steuerermäßigung pro
Objekt ist das Programm ein wirklicher Anreiz für Eigentümer, notwendige energetischen
Sanierungen in naher Zukunft vorzunehmen. Dachdecker und Dachdeckerinnen tragen
mit Dämm-Maßnahmen an Dächern und Fassade viel dazu bei, Energie einzusparen.
Damit hilft das Dachdeckerhandwerk beim Erreichen der Klimaziele. Nun müssen
allerdings Bund und Länder noch zügig abstimmen, damit Planungssicherheit für Betriebe
und Hauseigentümer geschaffen wird.
Gutes Klima durch Dachdecker
Und nicht nur beim Dämmen unterstützen Dachdecker: Auch durch das Anlegen von
begrünten Dächern sorgen sie für gutes Klima, reduzieren vor allem in Ballungsräumen
die Belastung durch Stickoxid, Kohlenmonoxid und Feinstaub. Und, was viele nicht
wissen: Durch Gründächer wird auch Energie eingespart. Außerdem fördern bepflanzte
Dächer die biologische Vielfalt und tragen in den zunehmend heißen Sommern zur
Abkühlung bei. Und nicht zuletzt hält ein Dach bei guter Bauweise gut und gerne 30
Jahre und länger, so punktet das Dachdeckerhandwerk auch beim Thema Nachhaltigkeit.
Mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 im
Steuerrecht“ haben Gebäudeeigentümer die Freiheit, das Förderinstrument zu wählen,
das für sie am besten geeignet ist. Wichtig: Die steuerliche Förderung gilt jedoch lediglich
für Sanierungsmaßnahmen am selbstgenutzten Wohneigentum.
Förderfähige Maßnahmen
Förderfähig sind Einzelmaßnahmen, die auch von der Kreditanstalt für Wiederaufbau
(KfW) als förderfähig eingestuft sind. Dazu zählen:
– Wärmedämmung Wände, Dach, Geschossdecken,
– Erneuerung der Fenster oder Außentüren
– Erneuerung und Einbau von Lüftungsanlagen
– Erneuerung von Heizungsanlagen
– Einbau digitaler Systeme zur energetischen Betriebs- und Verbrauchsoptimierung
– Optimierung bestehender Heizungsanlagen
Die Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung gelten befristet vom 1. Januar
2020 bis zum 31. Dezember 2029. Die geplante Laufzeit von 10 Jahren bildet eine
verlässliche Basis auch für das Dachdeckerhandwerk, sich auf die voraussichtlich
steigende Nachfrage nach energetischen Sanierungen einzustellen und entsprechende
Kapazitäten aufbauen.
Übrigens: Voraussetzung für die Förderung ist, dass die jeweilige energetische
Maßnahme von einem Fachunternehmen ausgeführt wurde!
Geschenke an Geschäftsführer als Betriebsausgaben
Kleine Geschenke sind gerade in der (Vor-)Weihnachtszeit ein beliebtes Mittel, um
Kunden zu binden und die Beziehung zu Geschäftsfreunden persönlicher zu gestalten.
Damit Geschenke als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, müssen die Aufwendungen
einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufgezeichnet werden. Zudem
ist eine Wertgrenze zu beachten.
Geschenke sind nur bis zu 35 EUR pro
Wirtschaftsjahr und Empfänger als Betriebsausgaben abziehbar. Dabei handelt
es sich um eine Freigrenze. Ist die Wertgrenze als Brutto- oder als
Nettowert zu verstehen? Hier kommt es
darauf an, ob der schenkende Unternehmer vorsteuerabzugsberechtigt ist.
◼ Beispiel
Das Unternehmen U schenkt seinem Kunden A im April 2019 eine Flasche Wein im Wert
von 25 EUR. Sofern die Aufzeichnungspflichten erfüllt sind, sind die Aufwendungen als
Betriebsausgaben abzugsfähig.
Schenkt U dem A nun zu Weihnachten 2019 erneut eine Flasche Wein (Wert =20 EUR),
sind beide Geschenke für das Jahr 2019 nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig, da die
35 EUR-Grenze in Summe überschritten wird.
◼ Beispiel
U schenkt seinem Kunden B im Dezember einen Geschenkkorb im Wert von 37 EUR
brutto). Weitere Geschenke erhält B von U in 2019 nicht.
Ist U zum Vorsteuerabzug berechtigt, sind die Kosten steuerlich abzugsfähig.
Denn hier zählt der Nettowert in Höhe von 31,09 EUR (37/1,19).
Ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen, zählt der Bruttowert – und die
Aufwendungen sind nicht abziehbar.
Rechtsprechungsübersicht
Wir informieren nachfolgend über die wichtigsten Urteile der letzten Monate:
Abzug alt für neu beim „nachgebesserten“ Flachdach – Lebenserwartung eines
Flachdaches 25 Jahre?
Mängelbeseitigungskosten nur bei tatsächlicher Behebung
Bitumendickbeschichtung entspricht trotz neuester DIN-Norm 18195-6 und DIN 18533
nicht den anerkannten Regeln der Technik
Abzug alt für neu beim „nachgebesserten“ Flachdach – Lebenserwartung eines
Flachdaches von 25 Jahren?
Der Abzug „neu für alt“ bei der Erstellung von Sanierungskosten für ein Flachdach ist
gerechtfertigt, wenn das Flachdach eine Lebenserwartung von 25 Jahren hat und bereits
12 Jahre beanstandungsfrei benutzt werden konnte. Für diesen Fall berechnet sich der
Abzug „neu für alt“ linear im Verhältnis von 25 zu 12.
OLG München vom 11.03.2019 – 28 U 95/19 Bau
Sachverhalt
Eine Eigentümergemeinschaft begehrte von ihrem Bauträger die Erstattung von
Selbstvornahmekosten für die Sanierung des Flachdaches i. H. v. ca. 30.000 Euro. Der
Bauträger ist damit grundsätzlich einverstanden, wendet jedoch ein, dass sich die
Eigentümergemeinschaft einen Abzug „neu für alt“ anrechnen lassen müsse, da das Dach
eine Lebenserwartung von 25 Jahren habe und bereits 12 Jahre beanstandungsfrei
benutzt worden sei. Durch die Sanierung des Daches habe die Eigentümergemeinschaft
einen erheblichen Vorteil erlangt; der Abzug „neu für alt“ müsse 12/25 betragen. Die
Eigentümergemeinschaft meint, dass die Lebenserwartung eines Flachdaches wesentlich
höher sei, und ist mit dem Abzug nicht einverstanden.
Entscheidung
Ohne Erfolg! Der Abzug „neu für alt“ i. H. v. knapp 15.000 Euro und die Einschätzung
einer Lebendsauer des Flachdaches von 25 Jahren ist nicht zu beanstanden. Es gibt keine
festen Rechtssätze, wonach bei der Schätzung zwischen Mindestdauer, üblicher Dauer,
Lebenserwartung o. Ä. differenziert werden muss. Maßgeblich ist im Wege einer
Billigkeitsabwägung eine stimmige Bewertung der Vor- und Nachteile. Der gerichtlich
bestellte Sachverständige gab an, dass eine Flachdachkonstruktion sensibel und
problemanfällig sei, insbesondere die Nähte seien schadensanfällig. Im Einzelfall
kann zwar eine längere Lebenserwartung vorkommen; die typische Lebensdauer
beträgt jedoch 25 Jahre. Der Abzug „neu für alt“ will sicherstellen, dass der
Geschädigte durch die Schadensbeseitigung nicht bessergestellt wird. Er ist eine
Billigkeitskorrektur der Rechtsprechung, die auf dem Grundsatz der Naturalrestitution das
Verbot ableitet, dass der Geschädigte am Schadensergebnis verdient.
Hinweis
Im Baurecht hat die höchstrichterliche Rechtsprechung Grundsätze entwickelt, wonach
ein Abzug „neu für alt“ nur in Betracht kommt, wenn sich ein Mangel verhältnismäßig
spät als konkretes Schadensbild auswirkt und der Auftraggeber bis dahin keine
Gebrauchsnachteile hatte. Diese Wertung folgt aus den Besonderheiten des
Werkvertragsrechts, wonach der Auftraggeber einen Anspruch gerade auf eine neue
Sache hat, die zudem mangelfrei zu erstellen ist. Kommt ein Abzug in Betracht, müssen
im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung die Vor- und Nachteile zu einer
Rechnungseinheit verbunden und der Abzug nach § 287 ZPO geschätzt werden.
Der Grundgedanke, dass ein Bauherr durch eine Schadensersatzanspruch nicht
„überkompensiert“ werden soll (= bessergestellt werden soll, kommt auch in der
neuesten Rechtsprechung zu den sogenannten „fiktiven Mangelbeseitigungskosten“ zum
Ausdruck. Danach kann der Bauherr einen Mangel nicht einfach auf der Basis der
Gutachtenkosten abrechnen („fiktiv“), sondern muss den Schaden tatsächlich beseitigen
lassen (siehe dazu auch unser damaliges Rundschreiben vom 13.08.2018, das wir hier
noch einmal verkürzt wiedergeben).
Mängelbeseitigungskosten nur bei tatsächlicher Behebung
Der BGH hat am 22.02.2018 – VII ZR 46/17 – eine für alle am Bau Beteiligten
überraschende (es war eine Kehrtwende zur früheren Rechtsprechung) und extrem
wichtige Entscheidung getroffen.
Nur wenige Monate später hat er diese für das Handwerk so erfreuliche Kehrtwende
erneut bestätigt. (BGH vom 21. Juni 2018 Az ZVII ZR 173/16)
Aber zunächst der Reihe nach:
Der für Bausachen zuständige VII. Zivilsenat am Bundesgerichtshof hatte vor vielen
Jahrzehnten entschieden, dass die (durch einen Gutachter) festgestellten Kosten der
Mangelbeseitigung durch den Auftraggeber als Schadensersatz gegenüber dem
Auftragnehmer geltend gemacht werden können, unabhängig von der Frage, ob der
Mangel beseitigt wird oder nicht. Die für Kaufverträge (insbesondere für den Autokauf)
und Unfallschäden (insbesondere bei Verkehrsunfällen) zuständigen Zivilsenate des BGH
haben diese Rechtsprechung „kritiklos“ übernommen. Diese Rechtsprechung schien wie
in Stein gemeißelt.
Der für Bausachen zuständige VII. Zivilsenat hatte dann mit seiner Entscheidung vom
22.02.2018 seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich und in radikaler Weise
aufgegeben. Mangelbeseitigungskosten können nunmehr nur noch als Schaden geltend
gemacht werden, wenn der Mangel tatsächlich beseitigt worden ist (siehe dazu auch
Rundschreiben-Nr. 033 vom 19.04.2018).
Lässt der Auftraggeber den Mangel nicht beseitigen, kann er nur den mangelbedingten
Minderwert als Schadensersatz verlangen. Insoweit hat der Bundesgerichtshof dann
gleich noch (vorsorglich) klargestellt, dass sich dieser Minderwert auf keinen Fall an den
voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten orientiert, und diese mögliche „Hintertür“
gleich vorsorglich zugeschlagen. Quasi nebenbei hat der Bundesgerichtshof in dieser
Entscheidung auch die bisherige Rechtsprechung aufgegeben, dass ein Vorschuss nicht
im Wege des Schadensersatzes geltend gemacht werden kann. Dies war notwendig, da
sonst der Auftraggeber gegenüber einem planenden und/oder bauüberwachenden
Architekten/Ingenieur einen Schaden vor Mangelbeseitigung nicht hätte durchsetzen
können, sondern mit der Mangelbeseitigung hätte in Vorleistung gehen müssen. Um
diesen – insbesondere unter Beweisbarkeitsgesichtspunkten extrem kritischen Zustand –
zu vermeiden, hat der Bundesgerichtshof einen Vorschussanspruch als
Schadensersatzanspruch „erfunden“.
Getrieben wurde der Bundesgerichtshof zu dieser Entscheidung offensichtlich durch den
Umstand, dass viele Bauherren als Auftraggeber oftmals eine mangelhafte Leistung im
Ergebnis behalten haben, da man mit dem Mangel „auch leben kann“ oder der Mangel bei
später anstehenden Renovierungsarbeiten (oberflächlich oder tatsächlich) mit beseitigt
werden kann, ohne dass gravierende Zusatzkosten entstehen. Insbesondere – wie im Fall
des Bundesgerichtshofes – bei einer Veräußerung eines schon vor längerer Zeit
errichteten Gebäudes wird der Minderwert des Objektes wegen des Mangels zudem
oftmals nicht ins Gewicht fallen, weil der Käufer ohnehin andere Pläne hat.
Für den Moment erscheint die Lösung des Bundesgerichtshofes für den Auftragnehmer
zunächst nicht als wirklich vorteilhaft. In bereits rechtshängigen Rechtsstreiten wird der
Auftraggeber den geltend gemachten Schadensersatzanspruch einfach als
Vorschussanspruch weiterverfolgen, sodass sich im Ergebnis am Inhalt eines Urteils
nichts weiter ändern wird. Allerdings entspricht es dem Wesen des Vorschusses, dass
dieser später abgerechnet werden muss. Der im Rechtsstreit unterlegene Auftragnehmer
kann deshalb den Auftraggeber auffordern, innerhalb angemessener Zeit über den
erhaltenen Vorschuss abzurechnen. Erfolgt dies nicht, kann der Auftragnehmer den
gezahlten Vorschuss zurückfordern. Im Ergebnis wird dadurch der Auftraggeber zur
Mangelbeseitigung „gezwungen“.
Interessanterweise hat der VII. Zivilsenat keine Veranlassung gesehen, bei den anderen
Zivilsenaten nachzufragen, ob diese der Auffassung des VII. Zivilsenats folgen oder gar
den Großen Zivilsenat angerufen. Begründet wurde dies mit der unterschiedlichen
Interessenlage, da der Käufer – bzw. ein Geschädigter eines Unfalles – in der Höhe des
Schadens regelmäßig auf den Wert des Gegenstandes beschränkt ist und deshalb im
Gegensatz zum Baurecht die Situation nicht eintreten kann, dass die
Mangelbeseitigungskosten den Wert der Leistung (also den Vergütungsanspruch des
Auftragnehmers) übersteigen können und der Auftragnehmer gleichwohl zur
Mangelbeseitigung verpflichtet ist.
Diese Rechtsprechung hat der BGH nun mit seinem jüngsten Urteil nun ausdrücklich
bestätigt.
Bewertung:
Diese beiden Urteile des BGH können nicht hoch genug bewertet werden, schieben sie
doch einer verbreiteten „Abzockmentalität“ zu Lasten des Handwerks einen Riegel vor.
Zwei wirklich lebensnahe Entscheidungen der Bundesrichter.
Das Urteil ist vor allem in Fällen wichtig, wo ein verhältnismäßig kleiner Mangel mit
geringem Störpotential gleichwohl enorme Kosten verursachen würde, wenn man ihn
beseitigen würde. Oder in Fällen, in denen nur eine formale Abweichung von den
allgemein anerkannten Regeln der Technik vorliegt, dies aber weder zu einem
Schadensbild noch zu Nutzungsbeeinträchtigungen geführt hat.
Bitumendickbeschichtung entspricht trotz neuester DIN-Norm nicht den aaRT
1. Die Außenwandabdichtung mittels Kombinationslösung aus WUBetonbodenplatte und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung
entspricht für den Wasserlastfall aufstauendes Sickerwasser – trotz
Konformität mit den Regelungen der DIN 18195-6 bzw. DIN 18533 – nicht
den anerkannten Regeln der Technik. *)
2. Die von der Regelung der vorgenannten DIN ausgehende
Vermutungswirkung sieht der Senat – insbesondere aufgrund der Vielzahl an
aufgetretenen Schadensfällen – als widerlegt an. *)
OLG Hamm, Urteil vom 14.08.2019 – 12 U 73/18
Sachverhalt:
Bei einem Neubau wurde die Kellerabdichtung wie folgt vorgenommen:
wasserundurchlässige Beton-Bodenplatte, darauf aufgehendes Mauerwerk, das verputzt
und anschließend mit einer Bitumendickbeschichtung abgedichtet wurde. In der Folge
kam es zu Feuchteeinwirkungen in den Kellerräumen. Obwohl die Abdichtung den
neuesten DIN – Normen entsprach, wurde der Auftragnehmer bzw. dessen
Subunternehmer trotzdem zur Nachbesserung (Kostenvorschuss) verurteilt.
In der sehr ausführlichen Urteilsbegründung legte der Senats dar, dass die gewählte und
ausgeführte Abdichtungsmethode, die Kombinationslösung aus WU-Betonbodenplatte
und kunststoffmodifizierter Bitumendickbeschichtung, für den – hier vorliegenden –
Wasserlastfall aufstauendes Sickerwasser – trotz Konformität mit den Regelungen der
DIN 18185-6 bzw. DIN 18533 – nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht.
Die von der Regelung der vorgenannten DIN ausgehende Vermutungswirkung, auf die
sich der Unternehmer zur Entlastung beruft, sieht der Senat – insbesondere aufgrund der
Vielzahl an aufgetretenen Schadensfällen – als widerlegt an.
Der Senat stützt sich dabei vollumfänglich auf die Feststellungen des Sachverständigen,
der überzeugend, detailliert und nachvollziehbar dargelegt hat, dass die geplante und
ausgeführte Abdichtungsmethode für den Wasserlastfall aufstauendes Sickerwasser keine
dauerhafte Dichtigkeit erzeugen könne und damit insoweit – trotz Konformität mit den
Regelungen der DIN 18195-6 bzw. 18533 – nicht den anerkannten Regeln der Technik
entspreche.
Anerkannte Regeln der Technik sind diejenigen technischen Regeln für den Entwurf und
die Ausführung baulicher Anlagen, die in der technischen Wissenschaft als theoretisch
richtig erkannt sind und feststehen sowie insbesondere in dem Kreise der für die
Anwendung der betreffenden Regeln maßgeblichen, nach dem neuesten Erkenntnisstand
vorgebildeten Techniker durchweg bekannt und aufgrund fortdauernder praktischer
Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind
(Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Teil – Die Haftung des Unternehmers für
Mängel – , Rn. 32 m. w. N.).
Dem Grundsatz nach tragen DIN-Normen die (widerlegliche) Vermutung in sich,
den anerkannten Regeln der Technik zu entsprechen (BGH-Urteil vom
24.05.2013 – V ZR 182/12).
Der Sachverständige hat festgestellt, dass die streitgegenständliche
Kombinationsabdichtung für den Wasserlastfall aufstauendes Sickerwasser technisch
nicht geeignet sei, eine dauerhafte Abdichtung herzustellen. Die generelle Schwäche der
Kombinationsabdichtung liege im unteren Bereich der Abdichtung, nämlich dort, wo die
kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtung auf die Bodenblatte aufgeklebt werden.
In diesem Bereich komme es zu Ablöseerscheinungen und Unterwanderungen. Zur
Begründung hat der Sachverständige auf seine langjährige sachverständliche Erfahrung
verwiesen. Im Rahmen seiner Anhörung im Senatstermin hat der Sachverständige
erläutert, dass er seit Beginn seiner Sachverständigentätigkeit im Jahre 2003 ca. 15 bis
20 Fälle pro Jahr zu begutachten habe, in denen es im Falle der Verwendung der hier
vorliegenden Kombinationsabdichtung bei aufstauendem Sickerwasser zu
Wassereintritten ins Gebäudeinnere gekommen sei. Demgegenüber habe er lediglich
einen Fall begutachtet, in dem es bei Verwendung einer Abdichtung durch
Bitumenbahnen zu einem Wassereintritt gekommen sei, wobei der Schaden im
begutachteten Fall auf einem offensichtlichen Ausführungsfehler beruht habe. Seine
Einschätzung, dass die Kombinationsabdichtung für den Wasserlastfall aufstauendes
Sicherwasser technisch ungeeignet sei und damit nicht den anerkannten Regeln der
Technik entspreche, hat der Sachverständige zudem mit dem Ergebnis einer von ihm im
Jahre 2009 veranlassten Befragung aller zur damaligen Zeit öffentlich bestellten und
vereidigten Sachverständigen mit den Fachgebieten Schäden an Gebäuden und
Bauwerksanierung begründet. Die streitgegenständliche Kombinationsabdichtung sei von
den Sachverständigen, die sich zurückgemeldet hätten, mehrheitlich als technisch
ungeeignet eingestuft worden.
Insgesamt 107 Umfrageteilnehmer hätten sich zu den Ursachen eingetretener Schäden
geäußert, wobei 23 Teilnehmer das Abdichtungssystem als generell ungeeignet
beschrieben hätten.
Dem Einwand, der Sachverständige könne nicht einschätzen, ob sich die
streitgegenständliche Kombinationsabdichtung in der Praxis bewährt habe, weil er als
Sachverständiger ausschließlich mit Schadensfällen zu tun bekomme, kann ebenfalls
nicht gefolgt werden. Denn der Sachverständige hat, wie bereits dargelegt,
nachvollziehbar erläutert, aus welchen Gründen die streitgegenständliche
Abdichtungsmethode technisch ungeeignet ist uns sich in der Praxis gerade nicht bewährt
hat. Dass der Sachverständige es aufgrund seines Fachgebiets ausschließlich mit
Schadensfällen zu tun hat, liegt in der Natur der Sache und vermag an seiner fachlichen
Kompetenz zur Einschätzung der technischen Geeignetheit der streitgegenständlichen
Abdichtungsmethode nichts zu ändern.
Letztlich hat auch die Subunternehmerin zugestanden, dass die Verwendung der
streitgegenständlichen Abdichtungsmethode nicht ausschließlich schadens- und
beanstandungsfrei geblieben ist. Sie hat eingeräumt, dass es bei etwas mehr als 100 für
den Wasserlastfall aufstauendes Sickwasser mit der streitgegenständlichen Methode bei
den von ihr abgedichteten Kellern zu immerhin 12 Beanstandungen gekommen sei. Dabei
ist für die Einschätzung der technischen Geeignetheit der Abdichtungsmethode
unbeachtlich, welche Ursache die beanstandeten Schadensfälle hatten. Denn auch eine
Abdichtungsmethode, die ausführungsfehleranfällig ist, kann nicht den
anerkannten Regeln der Technik entsprechen.
Auch die weitere Verteidigung des Unternehmens, dass die generelle Eignung der
Kunststoffmodifizierten Bitumendickbeschichtung für den konkreten Lastfall
bauaufsichtsrechtlich geprüft und zertifiziert worden sei, vermag im Ergebnis
nicht durchzugreifen. Der Sachverständige hat plausibel und nachvollziehbar
dargelegt, dass das Vorliegen einer derartigen Prüfbescheinigung nichts an seiner
Feststellung ändere, dass die streitgegenständliche Kombinationsabdichtung keine
hinreichende Dichtigkeit erzeuge. Denn eine derartige Prüfbescheinigung werde nach
Durchführung von Untersuchungen „unter Laborbedingungen“ (sauber, trocken, ohne
Grate), die sich von den Bedingungen in tatsächlichen Baugruben wesentlich
unterschieden, erteilt. Zudem werde die Dichtigkeit unter Laborbedingungen in einem
Zeitraum von lediglich 28 Tagen überprüft, so dass die Erteilung einer Prüfbescheinigung
im Hinblick auf die dauerhafte Haltbarkeit der Abdichtungsmethode nicht aussagekräftig
erscheine.
Der Senat sieht aufgrund der überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen nach
alledem die Vermutungswirkung der DIN 18195-6 bzw. DIN 18533 als widerlegt an.
Bewertung:
Dieses Urteil hat in der Fachöffentlichkeit für eine breite Diskussion gesorgt. Immerhin
war es das erste Mal, dass eine aktuelle DIN-Norm quasi als fehlerhaft eingestuft wurde.
Bisher war das nur in Fällen offensichtlich „veralteter“ DIN-Normen geschehen.
Die Kritik richtete sich offen gegen die „Industrielastigkeit“ in der Besetzung der DINAusschüsse, die dazu führe, dass nicht mehr allein Sachverständigensachverstand
maßgeblich ist, sondern immer mehr Lobbyinteressen und wirtschaftliche Interessen
zum Zuge kämen.
In der Praxis bedeutet das für jeden technischen Regelverfasser nun nicht mehr, dass
seine Aussagen allein wegen der vermeintlichen Kompetenz und Neutralität seines Regel
gebenden Gremiums stets unantastbar sind. Am Ende aller Tage muss die technische
Aussage belastbar und richtig sein.